Gepäck-Triebwagen RFe 4/4 601
Technische Daten der Gepäcktriebwagen RFe 4/4 601 - 603
Inbetriebsetzung |
1940 |
Triebrad-Durchmesser |
900 mm |
Stundenleistung |
984 kW |
Höchstgeschwindigkeit |
90 km/h, ursprünglich 125 km/h |
Gesamtmasse |
47 t |
Länge über Puffer |
15,880 m |
Vorgeschichte: Das aktive Leben der RFe 4/4
Wie allgemein bekannt sein dürfte, führten die SBB ab 1935 auf der West-Ost-Achse sogenannte Leichtschnellzüge ein, die zuerst von den Ae 3/6' 110 Nr. 10637 - 10714 gezogen wurden. Auf der Suche nach einem leichteren und auch etwas schnelleren Triebfahrzeug entstanden 1937 bis 1940 bei den schweizerischen Lokomotivherstellern SLM, BBC, MFO und SAAS drei Gepäcktriebwagen RFe 4/4 601 - 603. Sie konnten wie ihre nicht viel älteren Geschwister CLe 2/4 (die Roten Pfeile) nach Zugreihe R verkehren. Damit wäre die Fahrzeit Zürich - Genf um einige Minuten kürzer ausgefallen, wenn sich nicht schon sehr bald gezeigt hätte, dass die Triebwagen für diese Zugsleistungen zu schwach waren. So wurden die RFe 4/4 schon 1944 an die Bodensee-Toggenburg-Bahn BT bzw. an die Schweizerische Südostbahn SOB verkauft. Hier waren sie zunächst im Schnellzugsverkehr Romanshorn - Arth-Goldau - Luzern eingesetzt, später nur noch in untergeordneten Diensten.
Unser RFe 4/4 601 wurde nach über 30 Jahren bei der BT 1977 an die Sihltal-Zürich-Uetliberg-Bahn SZU verkauft, die ihn als De 4/4 51 bezeichnete. Dort war er während einigen Jahren im vorstädtischen Pendelzugdienst eingesetzt. Bei der SZU erforderte der Einsatz im S-Bahn-Verkehr den Einbau einer Vielfachsteuerung für SZU-Steuerwagen. Die vorhandene Vielfachsteuerleitung nach SBB-Norm wurde noch in der HW der BT ersetzt durch das SZU-System; gleichzeitig wurde eine teilweise Neuverkabelung vorgenommen, man beseitigte die Fronttüren und baute den Führerstand durch den gewonnenen Platz entsprechend aus. Zum Schrottpreis ging der Triebwagen dann 1994 an die Oensingen - Balsthal-Bahn OeBB, wo er umgehend einer Revision unterzogen wurde.
Von den beiden weiteren Fahrzeugen gleichen Typs ist eines abgebrochen worden, das dritte gehört der «classic rail» und steht in nicht betriebsfähigen Zustand auf dem Areal des Lokomotivdepots Winterthur.
RFe 4/4 601 vor dem Bahnhofsgebäude Balsthal (M. Gerosa)
Die Revision in Balsthal
Die Revision umfasste einerseits das Aufarbeiten des gesamten Fahrzeugs, andererseits aber auch den Rückbau einiger durch die SZU vorgenommener Veränderungen.
Sichwortartig die wichtigsten Revisionsschritte:
- Demontage des Doppeldaches, Ausbau der Fahr- und Bremswiderstände, Reinigung, Kontrolle und erneute Montage
- Drehgestelle kontrolliert, entrostet und neu gestrichen
- Boden im Frachtraum ersetzt
- Führerstand erneuert, Führerstandsheizung revidiert
- Sämtliche Fensterrahmen und Fenster revidiert
- Rekonstruktion der alten Dreilicht-Spitzenbeleuchtung mit separater Fahrberechtigungs-lampe nach altem Vorbild
- Fronttüren-Attrape erstellt und eingebaut
- Ganzes Fahrzeug neu gestrichen und nach ursprünglicher SBB-Ausführung von 1940 beschriftet
Möglich war die ganze Revision nur, weil drei verschiedene Gruppen optimal zusammenarbeiteten. Unter dem Dach des Kulturprojekts «Roter Pfeil» und «Seetal-Krokodil» hatte sich schon 1994 eine Gruppe ehrenamtlich arbeitender Enthusiasten gebildet, welche sich von ihrem Hauptziel, das Seetal-Krokodil De 6/6 15301 zu revidieren, abbringen liess und sich zunächst um den RFe 4/4 601 kümmerte. In allen Belangen unterstützt wurde sie von Mitarbeitern der OeBB, insbesondere von Markus Rickenbacher (dem damaligen Betriebsleiter der OeBB), dem Depotchef Walter Schmid und Ueli Buess. Viele der zeitintensiven Arbeiten wurden von Arbeitslosen ausgeführt, welche durch das regionale Arbeitslosenvermittlungszentrum (RAV) Oensingen zur Mitarbeit motiviert werden konnten. Dadurch konnte der RFe 4/4 601 rechtzeitig auf das Jubiläum «150 Jahre Schweizer Bahnen» von 1997 fertiggestellt werden und anlässlich der grossen Triebfahrzeug-Parade in Lausanne einer erfreuten Öffentlichkeit präsentiert werden.
Technik-Geschichtliche Bedeutung des Fahrzeugs
Auch wenn der Gepäck-Triebwagen RFe 4/4 601 nicht lange beim Besteller SBB verblieb, wurden an ihm doch für den weiteren Lokomotivbau entscheidende Erkenntnisse gewonnen.
«Über die Schöpfer der RFe 4/4 heute den Stab zu brechen, wäre verfehlt; denn der von ihnen gewiesene Weg war richtig. Aus den zu schwach geratenen RFe 4/4 wurden die richtigen Konsequenzen gezogen. Wenige Jahre später erschien in grundsätzlich gleicher Konzeption die Leichtlokomotive Re 4/4 , welche dann 20 Jahre lang den schnellen Städteverkehr bewältigte.» (H. Schneeberger)